Geschichte Tourismus Leissigen
100 Jahre Verkehrsverein Leissigen
Der Verkehrsverein Leissigen wurde 1901 bereits sehr früh in der neueren Geschichte des touristischen Berner Oberlands gegründet. Die Möglichkeit von Vereinsgründungen schuf erst die Bundesverfassung von 1848, welche die Versammlungs- und Redefreiheit garantierte.
Die Anfänge des Leissiger Tourismus
Die Geschichte des Leissiger Tourismus ist jedoch sehr viel älter. Bereits zu Zeiten des Klosters Interlaken unterhielt dieses in Leissigen eine Klostertaverne. Im 16. Jahrhundert entstand daraus eine Weinschenke. Sie wurde 1628 offiziell als eine von neun Wirtschaften in der Landschaft Interlaken zugelassen. Weitere Gesuche für den Betrieb von Schänken lehnten in der Folge die „gnädigen Herren von Bern“ ab.
Der postmoderne Leissiger Tourismus beginnt nachweislich mit dem „Erlass über die Zahl der Weinschenken“ im Jahre 1628. Dieser gab der Gemeinde Leissigen ein obrigkeitlich abgesichertes Wirtschafts- und Tavernenrecht. Ein erstes protokolliertes Gesuch aus dem Jahre 1741 an den Landvogt G. Gross, dieses auszuüben, lehnte dieser rundweg ab.
Erst ein direktes Ersuchen bei den „gnädigen Herren von Bern“ durch die beiden Abgesandten Hans Ringgenberg und Hans Dietrich und ein Bestätigungsschreiben dieser vom 25. November 1741 konnte den Landvogt umstimmen. Das der Gemeinde bestätigte Wirtschaftsrecht wurde im Spruchbuch der Stadt Bern beurkundet. Mit diesem Entscheid kaufte die Gemeinde 1742 ein bestehendes Haus und richtete darin ihre Wirtschaft ein (heute Hotel Hirschen).
Die Revision der Tavernen- und Pintenschenkrechte im Jahre 1743 vermerkt über Leissigen: „Wirt: Obmann Meier, Besitzer die Gemeinde“ und als Nachsatz: „Dazu gehört auch ein Bad mit Wirtschaftsrecht de Ostern ad Martii ohne bekannte Concession“. Dieser Nachtrag ist die erste urkundliche Erwähnung eines Bad- oder Kurbetriebes in Leissigen selbst, der von Ostern bis Martini betrieben wurde.
Anscheinend kämpfte aber auch schon der damalige Tourismus mit massiven wirtschaftlichen Problemen, denn die Gemeinde Leissigen wollte ihr Wirtshaus bereits 10 Jahre später wieder „versilbern“, was ihr die Obrigkeit jedoch verbot. In der Folge sollte der Bad- und Kurbetrieb in Leissigen aber einen ungeahnten Aufschwung nehmen und erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wieder verschwinden.
Das Kurhotel Leissigbad
Im Leissiger „Chorgerichtsmanual“ von 1733 ist erstmals die Existenz eines „Leissigbades“ urkundlich erwähnt. Da es sich um eine „Sittenrüge“ handelte, ist anzunehmen, dass der Bau und Betrieb des Bades schon früher aufgenommen wurde. Die für das Bad gefasste Heilquelle war nämlich bereits im Mittelalter bekannt.
Wie aus weiteren Einträgen in den Chorgerichtsmanualen ersichtlich ist, muss im Kurbad ein munteres Treiben geherrscht haben, da sich das Chorgericht immer wieder mit Sittenfällen wie „Tanzen am Sonntag“ sowie dem „Heizen des Badewassers am Sonntag“ befasste. Am 17. Oktober 1734 musste der damalige „Baadmeister“ Heinrich Fröhlich vor dem Gericht erscheinen, weil er sich im „Baad“ mit einem Därliger Mädchen eingelassen hatte. Seinen Nachfolger Peter Linder verwies der Landvogt wegen ähnlichen Vorfällen gar des Amtsgebiets.
Zu den Gästen des Leissigbades, das auf dem Gebiet der heutigen Gipsunion stand, gehörten Gelehrte, Dichter und Politiker wie der Berner Ratsherr Albrecht von Haller. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts übernahm die Familie Haller das Bad. Um 1780 wurde die Quelle unter der Leitung von Johann Jakob Haller neu gefasst, ein neues Badhaus erstellt und die Wasserzufuhr renoviert.
Die erste chemische Untersuchung des Heilwassers nahm im Jahre 1784 der Berner Apotheker Friedrich Morell vor. So bot man den Kurgästen drei verschiedene Wasserarten an: das gebräuchliche Badewasser, Schwefelwasser und Bittersalz (vermutlich nicht genutzt). In dritter Generation übernahm Hallers Schwiegersohn, Carl Ludwig Tscharner (1754 – 1841), Professor für Recht an der Akademie (Universität) Bern, das Leissigbad. Sein Interesse galt weniger dem Badbetrieb, als vielmehr der Kalk- und Gipsgewinnung. So wurde ihm 1797 nach heftigem Streit die entsprechende Konzession erteilt. Im Jahre 1824 wurde das Leissigbad nach einer längeren Schliessung renoviert und mit neuen Einrichtungen versehen. So kam eine Molkenanstalt hinzu und als 1842 der Berner Amtsnotar Rudolf König das Bad übernahm, wurden vorwiegend medizinische Kuren angeboten.
Im Jahre 1858 erstellte der Thuner Apotheker Pagenstecher ein weiteres Gutachten über die Mineralquellen von Leissigen. Dieses bescheinigte, „dass sich eine Trinkquelle ausserhalb des Gebäudes mit vollkommen klarem und farblosem Wasser befinde, das mit starkem Geschmack nach geschwefeltem Wasserstoffgas fliesse“.
Aufschwung mit Schiff und Bahn
Vieles deutet daraufhin, dass Leissigen vom aufkommenden Dampschiffbetrieb auf dem Thunersee nicht viel profitieren konnte. Die grossen Schiffe mit den Touristen fuhren von Thun direkt zum Neuhaus, ohne in Leissigen anzulegen. Erst 1870 beschloss die Einwohnergemeinde eine Schiffländte für die kommerzielle Schifffahrt zu bauen. Zum Sommerfahrplan 1870 legten dann die ersten Kursschiffe in Leissigen an.
Als Leissigen 1893 ans Schienenetz der Thunerseebahn angeschlossen wurde, verlangte der Gemeinderat eine kombinierte Ausflugsmöglichkeit mit Schiff und Bahn, welche die Bahn- und Schiffsverwaltung rundweg ablehnte. Der Bau der Thunerseebahn brachte Leissigen trotzdem den erhofften touristischen Aufschwung. Der Besitzer des im Jahre 1888 erbauten Hotel Kreuz, Ferdinand Knecht, stellte in der Folge ein Gesuch, für die Bauleute eine Kantinewirtschaft betreiben zu dürfen. Später kamen verschiedene „Kabinette“ und Pensionen hinzu.
Während den Kriegsjahren erlebten die Leissiger Hotels schwere Zeiten, so verschwanden die Pensionen Bellerive und Steinbock und das Hotel Kreuz wurde 1919 versteigert.
Touristische Höhepunkte zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Vor diesen wirtschaftlich schweren Jahren erlebte Leissigen jedoch nochmals touristische Höhepunkte und industrielle Innovationen. In den Jahren 1903 und 1905 weilte der Maler Ferdinand Hodler als Sommergast in Leissigen. Auf dem Finel schuf er einige seiner berühmtesten Landschaftsbilder. Als Träger für seine Staffelei und Ausrüstung engagierte er jeweils Paul Furrer, den späteren Sekundarlehrer und Gemeindepräsidenten von Unterseen. Anlässlich des 100. Geburtstags von Ferdinand Hodler errichtete 1953 der Verkehrsverein Leissigen auf dem Finel eine Gedenkstätte.
Vieles deutet darauf hin, dass der Verkehrsverein Leissigen schon zu Anfang aktiv in das gesellschaftliche und politische Leben Leissigens eingriff. Mehrmals lehnte die Gemeindeversammlung die Einführung der elektrischen Strassenbeleuchtung in Leissigen ab. Auf ein energisches Begehren des Verkehrsvereins im Jahre 1910, erhob der Gemeinderat die Installation der elektrischen Strassenbeleuchtung in Leissigen zum Beschluss.
Anscheinend waren Geschwindigkeitsübertretungen auf den Dorfstrassen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Problem. So wurde ein Begehren betreffs Fahrgeschwindigkeitskontrolle der Automobile vom Gemeinderat an den Verkehrsverein zur Ausführung überwiesen. In den 20er Jahren befasste sich der Verkehrsverein aktiv mit der Erstellung der Uferwege und der Strandwegmauer.
Aufschwung und Wandel
Mit dem Aufschwung und dem Wandel im Berner Oberländer Tourismus änderten auch die Aufgaben des Verkehrsvereins. So widmete er sich vermehrt der Schaffung touristischer Infrastruktur und der Pflege der touristischen Angebote. Er beteiligte sich aktiv an der Schaffung und bis heute am Betrieb der Hodler Gedenkstätte oder dem Freibad am See. Als die Vermietung von Ferienwohnungen an Gäste aufkam, erweiterten sich die Aufgaben des Verkehrsvereins um diesen Angebotszweig.
Der Verkehrsverein musste sich Gedanken um die künftige Vermarktung seiner Angebote machen, auch mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten. So erkannten die Verantwortlichen recht bald, dass die Mittel für eine aktive Vermarktung im In- und Ausland nicht ausreichten. Der Verkehrsverein schloss sich in der Folge dem Verkehrsverband Thunersee an, welcher für alle Thunerseegemeinden das touristische Marketing im In- und Ausland betreibt. Der Verkehrsverein selbst stellt das touristische Angebot zur Verfügung.
Mit einem Beherbergungsangebot von Ferienwohnungen, über das Seminarhotel Meielisalp, der wunderschönen Jugendherberge am See, welche aus dem ehemaligen Erholungsheim der Firma Wander entstand, dem Hotel Kreuz, oder der wunderschönen Berghütte auf dem Brunni des Skiclubs Leissigen, verfügt Leissigen über eine breite Palette bester Infrastruktur.
Daniel Steffen, Leissigen